HEIDELBERGER WESTSTADT
IM WANDEL

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1982: "Schau Dich um in Deiner Stadt"
Erneute Konflikte des katholischen Jugendverbands BDKJ St. Bonifatius mit dem Establishment in Kirche und der politischen Gemeinde führten 1982 schließlich zur Gründung des KULTURFENSTERS und 1983 zum Start SOMMERSPEKTAKELs.
Es ging immer wieder um die gleichen Streitpunkte: um kulturelle, politische Ziele und Ausdrucksformen von engagierten jungen Menschen in der Weststadt, um fehlende unreglementierte öffentliche Freiräume und Treffpunkte für alle Altersgruppen im Stadtteil.
Was blieb anderes übrig, als sich erneut organisatorisch, räumlich zu verselbständigen um „sein Ding“ zu machen?
Anfang 1983 wird schließlich der Verein KULTURFENSTER e.V. von Aktiven des autonomen Jugendverbands BDKJ St. Bonifatius und einer Gruppe von Student*innen des Erziehungswissenschaftlichen Seminars an der Uni Heidelberg gegründet. Diesem Schritt gingen aber einige Konflikte Ende 1982 voraus. 
Ab 1980: Konzept der SPIEL-und KULTURPÄDAGOGIK
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre begann die Kooperation des autonomen Jugendverbands BDKJ mit Student*innen des Erziehungswissenschaftlichen Seminars der Universität Heidelberg. Sie war notwendig geworden, da die verbandsinterne personelle Basis schrumpfte. 
Die neuen pädagogischen Aktivist*innen brachten frische Ideen der „ästhetischen Erziehung und der kulturpädagogischen Projektarbeit“ -inspiriert durch die Münchner Kunst-und Kulturgruppe „Pädagogische Aktion e.V.“- in die bis dahin „emanzipatorische“ Jugendverbandsarbeit ein. 
Mit dem personellen Zuwachs des BDKJ/KJG wuchs allerdings auch die Entfremdung zur Pfarrgemeinde St. Bonifatius, deren Räume in dieser Phase dem Jugendverband wieder zur Verfügung standen, wie weiter oben beschrieben.
Spielpädagogik und Kulturpädagogik: konzeptionelle Ergänzungen der emanzipatorischen Jugendarbeit
Das Jugendverbandskonzept „emanzipatorische Jugendarbeit“ – orientiert an Paolo Freire– und das Konzept der „ästhetischen Erziehung“ ergänzten sich sehr gut  und  stellten von nun an den zweiten konzeptionellen Hintergrund  der Jugend-und Stadtteilarbeit der  jungen Pädagog*innengruppe dar. 
Das Konzept der „ästhetischen Erziehung“ und der „SPIELKULTUR“ orientierte sich stark an den sachlichen, materiellen Bezügen der Lebenswelt von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. 
Pädagogische und kulturelle, auch dilettantische künstlerische Aktionen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sollten öffentliche Räume zeitweise, am liebsten natürlich auf Dauer, mit Hilfe von „Dingen“, „Sachen“ freundlicher und lebenswerter machen. 
Ein im Kern politischer Ansatz, ähnlich wie das emanzipatorische Jugendarbeitskonzept des BDKJ, das sich nun um die „sinnliche“ Dimension erweiterte und auf aktionistische Veränderung von Lebenswelten und Kulturräumen drängte.
1982: Der nächste Konflikt naht!
Kinderspielaktion „Schau Dich um in Deiner Stadt“ und Kulturbauwagen auf dem Wilhelmsplatz: Neuer Krach mit der Gemeinde und der Heidelberger Stadtverwaltung.
Die erste größere stadtteilorientierte kultur- und spielpädagogische Aktion in der Weststadt – orientiert an den Münchner Vorbildern- startete im Herbst 1982, getragen von der studentischen Gruppe aus dem EWS. 
Finanziell, organisatorisch und logistisch unterstützt vom „Freundeskreis der KJG St.Bonifatius“, in dem sich die ehemaligen Gruppenleiter*innen des BDKJs St. Bonifatius zur Fortführung der Jugendarbeit mit neuer Orientierung zusammen fanden. 
Der Jugendverband hatte zu diesem Zeitpunkt noch seine räumliche Basis im katholischen Gemeindehaus. Dem Freundeskreis der KJG (es müsste heute natürlich korrekt „Freund*innenkreis….heissen) war klar, dass der räumliche und organisatorische Rahmen  (Gemeindehaus und katholischer Jugendverband) keine großen Zukunftsaussichten für die geplante Entwicklung hatte. 
Erste Ideen für eine weitere organisatorische Verselbständigung wurden ab Mitte 1982 diskutiert. 
Ausschnitt aus Jahresbericht 1982 KJG: (ganzer Bericht siehe unten)

 
Eine Studentin und ein Student des EWS – schon damals, wo Gendern noch ein Fremdwort war, stimmte also die Geschlechterparität- übernahmen nun im Herbst 1982 als neue Verantwortliche – gemeinsam mit den studentischen Mitstreiter*innen- die operative Verantwortung für eine Kinderstadtteilaktion und eine kleine Veranstaltungsreihe für Erwachsene mit Themen aus dem Stadtteil Weststadt.
Damit alles seine Ordnung hatte, wurden jene Teile der Aktion, die im öffentlichen Raum stattfinden sollten, bei der Stadt Heidelberg zur Genehmigung angemeldet: Eine Stadtteilralley für Kinder, Gestaltung eines kleinen Kindertreffpunkts in Gestalt eines Bauwagens auf dem Wilhelmsplatz sowie ein paar kleine Abendveranstaltungen für Erwachsene in diesem Bauwagen. 
Im katholischen Gemeindehaus sollte dann noch das Theaterstück „Dampfnudel“ aufgeführt werden. „Dampfnudel“: eine Anspielung auf die halbrunden Poller, die 1982 zur Verkehrsberuhigung in der Weststadt installiert wurden, sehr zum Ärger der Autofahrer*innen.
Die Kinderspielaktion wurde von der Stadt genehmigt. Das Weststadtkinderfest kam bei den Kindern sehr gut an. Es folgte der oben beschriebenen Idee, mit Kindern ihre Lebensumwelt zu erforschen (Stadtteilralley) und durch kleine Aktivitäten auch zu verändern (Kindertreffpunkt auf dem Wilhelmsplatz im selbstgestalteten Bauwagen). 
Die „Spontitheatergruppe „Die Dampfnudel“ beendete die Kinderspielwoche im Gemeindehaus St. Bonifatius mit brandaktuellen Themen zur kinderunfreundlichen Lebenswelt Weststadt. 
Wäre es nur bei einer „normalen“ Kinderspielaktion geblieben, dann hätte es keinen neuen Streit mit der Stadtverwaltung und der katholischen Gemeinde gegeben. 
Aber: Das Kinderfest hatte einen gesellschaftspolitischen, lokalpolitischen Anspruch und als Abschluss der einwöchigen Kinderaktion wurden auch noch die Erwachsenen in den kleinen Bauwagen auf dem Wilhelmsplatz eingeladen: Es sollte über die umstrittene Verkehrsberuhigung in der Weststadt diskutiert werden, der Heidelberger Schriftsteller Michael Buselmeier wollte außerdem aus seinem jüngsten“ Buch „Der Untergang von Heidelberg“ lesen. 
Als Moderator beider Veranstaltungen war Manfred „Männe“ Metzner vorgesehen. Junger Verleger des Heidelberger Wunderhornverlags und stadtbekannter Aktivist bei „Carlo Sponti“, der ersten heidelberger alternativen Spontizeitung.  
Obwohl auch diese Veranstaltung ganz brav bei der Stadtverwaltung angemeldet und sogar genehmigt wurde, endete das Vorhaben in einem veritablen Konflikt mit der Stadt Heidelberg  (wie dieser Konflikt sich entwickelte, wird auf der folgenden Seite beschrieben)
Kinderfest als Demonstration:  „Aktives Entdecken und Gestalten der Weststadt durch Kinder“
Die jungen Pädagog*innen des Erziehungswissenschaftlichen Seminar und die KJG St. Bonifatius kündigten die Kinderspielaktion und das Kinderfest in der Weststadt unter dem Motto „Aktives Entdecken und Gestalten der Weststadt durch Kinder“ an. 
„…wir haben uns … überlegt, dieses Kinderfest auch als Demonstration gegen die verkehrsbe(un) ruhigten Veränderungen in der Weststadt- bei denen die Kinder offensichtlich völlig übergangen worden sind- anzusehen und zu veranstalten….“…“…wir wollen mit Kindern zusammen überlegen, wie Spieplätze und Spielstraßen gestaltet werden sollen….Die Kinder sollen…die Möglichkeit haben, diese Anregungen in einer wöchentlichen Spiel-und Freizeitgruppe zu vertiefen und auszubauen….Dieses Kinderfest (richtet) sich auch gegen die kinderfeindliche Stadtteilpolitik…“
Dem damaligen Oberbürgermeister R.Zundel gefiel diese Aktion natürlich überhaupt nicht. Im Anschluss an diese Kindermitmachaktion entwickelte sich gleich ein weiterer Streit mit der Stadt Heidelberg. Die KJG stellte nach dem Kinderfest  (Herbst 1982) und dem Verbot der Ewachsenenveranstaltung im Bauwagen auf dem Wilhelmsplatz (siehe unten) einen erneuten Antrag bei der Stadt Heidelberg zum dauerhaften Betrieb eines Kultur-und Kinderbauwagens auf dem Wilhelmsplatz.   Zundel stellte sofort scharfsinnig fest, dass er „…davon ausgehen (muß), dass Sie damit mehr die Ziele verfolgen möchten, die bei ihrer letzten Plakataktion angesprochen waren…“ 
Die von Zundel richtig erkannte gesellschaftspolitische Zielsetzung des  Kinderfests und des Kultur-und Spielbauwagens auf dem Wilhelmsplatz war natürlich höchst konfliktträchtig. Mit städtischer Unterstützung konnte nicht gerechnet werden. Der Antrag auf den Kinder-und Kulturtreffpunkt „Bauwagen Wilhelmsplatz“ lehnte die Stadt  konsequenterweise ab und empfahl gleichzeitig, der Jugendverband solle sich doch um „geeignetere Räume für Zusammenkünfte“ kümmern. 
Der Jugendverband KJG nahm sich diese Empfehlung zu Herzen und machte sich unverzüglich auf die Suche nach festen Räumlichkeiten in der Weststadt. Im Frühsommer 1983 war es schon soweit: In der Kleinschmidtstr. 9 eröffnete das neugegegründete Kulturfenster sein Pforten. Der Stress mit der Stadt hielt aber natürlich an. 
 
Erstes Spielmobil auf dem Wilhelmsplatz 1982, Quelle: Heiderberger Rundschau, 11/82
 
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