HEIDELBERGER WESTSTADT
IM WANDEL

Zur Einordnung des folgenden Textes in den Gesamtzusammenhang
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1982/1983: Der Kampf geht weiter
Der öffentliche Störfaktor „KULTURBAUWAGEN“ auf dem Wilhelmsplatz und im Kirchengarten der katholischen Gemeinde St. Bonifatius fand glücklicherweise bald sein Exil auf dem Bauernhof des Vaters einer Mitstreiterin im Heidelberger Süden. Das bedeutete aber nicht, dass nun Ruhe eingekehrt wäre. 
Der katholische Jugendverband KJG St. Bonifatius ließ nicht locker, sein Ziel eines unabhängigen Treffpunkts in der Weststadt durchzusetzen. Er beantragte deshalb Anfang November 1982  erneut einen Abstellplatz auf dem Wilhelmsplatz für diesen Bauwagen. Und zwar als dauerhafter Treffpunkt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der Weststadt.
In einer dreiseitigen, sehr ausführlichen Begründung legte der Jugendverband dar, dass mit diesem Treffpunkt die selbst von der Stadt Heidelberg eingeräumten Defizite für Kinder und Jugendliche in der Weststadt zwar nicht ernsthaft behoben, aber immerhin gemildert werden könnten; dass die KJG auf Grund ihrer verbandlichen Programmatik und ihrer Anerkennung als subsidiär tätiger Jugendverband geradezu verpflichtet sei, diesen öffentlichen Mangel zu reduzieren. Und dazu sei doch ein Bauwagentreffpunkt auf dem Wilhelmsplatz eine gute Notlösung! ( Dokument siehe unten). 
Der Jugendverband würde selbstverständlich die Kosten und die vollständige Verantwortung für diesen kleinen Treffpunkt auf dem Wilhelmsplatz tragen.
Der Antragstellerin, also der KJG, war es natürlich bewusst, dass ein solcher Antrag nicht genehmigt werden würde und weiterer Streit mit der Stadtverwaltung bevorstand. Die Absage kam auch postwendend, im bekannten schulmeisterlichen Duktus des Oberbürgermeisters, Dokumente siehe unten. 
Zundel: „Ihre Vereinigung sollte sich um geeignetere Räumlichkeiten kümmern“
Dem musste der neue Verein KULTURFENSTER e.V. natürlich zustimmen!
Die Aufforderung des Oberbürgermeisters, sich um andere, geeignete Räumlichkeiten zu kümmern, fanden der Jugendverband KJG dann doch bedenkenswert. Ob nun ernst gemeint, oder sarkastisch.
Dokument Auszug Brief Zundel

Als gehorsame Bürger*innen ihres Obermeisters folgten die Aktivist*innen der KKJG natürlich seiner Aufforderung, einen geeigneten Treffpunkt zu suchen .  
Wie sonst hätten sie ihre Ziele -die der Oberbürgermeister offensichtlich nicht so gut fand- unabhängig von katholischer Pfarrgemeinde und der Stadtverwaltung weiter verfolgen können?
Die KJG St. Bonifatius, bzw. der Freundeskreis der KJG St. Bonifatius sammelte alsbald Spenden ein und plante für das Jahr 1983 die Gründung eines neuen Trägerverein für die Stadtteilarbeit für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten konnte anlaufen.
Ein kleines Ladenlokal in der Kleinschmidtstraße 9 war bald gefunden. Der monatliche Mietpreis war zu stemmen, dank auch der finanziellen Unterstützung des alternativpolitischen Selbsthilfenetzwerks Nordbaden ( von  diesem distanzierten sich Ende der 80er Jahre die neu hinzugekommenen  Macher*Innen des KULTURFENSTERS, um besser an städtische Mittel zu kommen….) und natürlich auch des Freundeskreises der KJG. Der Mietvertrag wurde unterschrieben und das Ladenlokal mit großen Fenstern inspirierte auch zum Namen des neuen Trägervereins „KULTURFENSTER e.V.“.
Logo vom Netzwerk Selbsthilfe, das alternative Projekte, selbstverwaltete Betriebe unterstützte, vor allem mit Spenden der Mandatsträger*Innen der neuen Partei „DIE GRÜNEN“.
 
Der Weg war damit frei „die Ziele zuverfolgen….die in ihrer letzten Plakataktion angesprochen waren…“ wie der Oberbürgermeister Zundel in seinem Schreiben vom 3.12.1982 recht scharfsinnig feststellte (ganzes Dokument siehe unten).
Das waren, zur Erinnerung: 
Selbstorganisierte, nicht reglementierte Räumlichkeiten für stadtteilpolitische, kulturpolitische Aktivitäten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Zundels Kritik, die Initiator*innen würden parteipolitische Ziele verfolgen,  trifft aber nicht ganz den Kern des politischen Verständnisses dieser Jugend- und Stadtteilarbeit: 
Sie ist keineswegs parteipolitisch ausgerichtet, sondern hatte vielmehr ein nichtparteipolitisches, weiter gefasstes Verständnis von demokratischer, spielerischer, aktionistischer, politischer Mitwirkung und Gestaltung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen.
Die erste große Einstiegsaktion des jungen Vereins, die unter diesem leitenden Gedanken stattfand,  sollte das Sommerspektakel im Juni 1983 sein. 
Es wurde zu einem der ersten „kinderfreundlichen“ Feste in Heidelberg, ganz im Sinne des Ziels einer kinderfreundlichen Stadt. Das Fest sollte vor allem den Kindern viel Raum zum Spielen und zum Mitmachen geben. Kartons, Sand, Gerümpel, improvisierte Planschbecken usw. lagen auf dem Platz rum, die Kinder eroberten sich diese Objekte und veränderten den Platz im Handumdrehen…
Der Kindercircus Pico-Pello animierte zum Mitmachen u.v.a.m.
Am Fest beteiligten sich einige alternative politische Gruppen, die alle irgendwie auf dem Index des Oberbürgermeisters standen.  
Die Einnahmen des Fests stellte einen weiteren Grundstock für die Finanzierung des KULTURFENSTER e.V. dar. Kommerzielle Anbieter gab es nicht, kein Coca-Cola (im damaligen Jargon: imperialistische Yankee-Kloake, keine Pommes….
So gehts dann weiter. Link. 

Quellen und Dokumente

Öffentliche Auseinandersetzung um den Kulturbauwagen auf dem Wilhelmsplatz, November -Dezember 1982 
Presseartikel zum Bauwagen, November 1982
Heidelberger Tageblatt, 4.11.82 ???
RNZ, 4.11.1982
Heidelberger Rundschau 22/82

Leserbrief KJG an RNZ, 5.11.1982
Antrag der KJG an die Stadt Heidelberg zur ständigen Aufstellung eines Kulturbauwagens auf dem Wilhelmsplatz
Antwort des Oberbürgermeisters, 3.12.82

13.11.1982: RNZ über den Fall KULTURBAUWAGEN
Reaktionen der KJG bis Dezember 1982
Ob diese Presseerklärung abgschickt und abgedruckt wurde, ist unklar.