HEIDELBERGER WESTSTADT
IM WANDEL

Chronologie

Transparenzhinweis: 
Der Autor (wg) der Texte war seit den 60 er Jahren bis etwa 1987 und dann wieder von 2002-2010 aktiver Teil des dargestellten Geschehens. Insofern ist die Darstellung und die einfließende Bewertung natürlich stark subjektiv geprägt. 
Andere Zeitgenoss*Innen mögen das eine oder andere vollkommen anders sehen. 
Gerne ergänzen wir diese „vollkommen einseitige Sichtweise“ um weitere Darstellungen und Interpretationen. 
Eine Mail mit Text -gerne auch mit Bildern- genügt: 
info(a)weststadt-heidelberg-im-wandel.de
Das „Sommerspektakel“ in der Weststadt von Heidelberg war das erste „alternative“ Stadtteilfest in Heidelberg, 1983 vom gerade gegründeten Stadtteilkulturladen „KULTURFENSTER e.V.“ aus der Taufe gehoben. 
Im Jahr 1984 fusionierte das SOMMERSPEKTAKEL mit dem „Straßenfest des SPD-Ortsvereins Weststadt“. Bis ca. Anfang der 2000 er Jahre waren KULTURFENSTER und SPD gemeinsam die Hauptveranstalter, unterstützt von vielen Heidelberger alternativen Initiativen.  Anfang der 2000 er Jahre stieg das KULTURFENSTER aus. Der SPD-Ortsverein blieb als alleiniger Veranstalter übrig.
2024 fand das 40. Sommerspektakel statt. 2021 fiel das Sommerspektakel wegen der Corona-Pandemie aus.
„Alternativ“ im Kontext der späten 70er und frühen 80er Jahre galten gesellschaftspolitische Initiativen, die sich vom „Nachkriegsmief“ der 50er und 60er Jahre lösen und „andere“ Lebensentwürfe im Vergleich zur Elterngeneration durchsetzen wollten. 
In diesem Kontext entstand das Sommerspektakel 1983 auch als Alternative zum traditionellen, konservativen Weststadtfest des Weststadtvereins, damals getragen vor allem von örtlichen CDU-Honoratioren.
Die folgenden Artikel stellen die zeithistorischen, „rebellischen“ Anlässe dar, die zur Gründung des KULTURFENSTERS und zum Start des SOMMERSPEKTAKELS im Jahr 1983 führten. 
Es wird aber auch die Frage gestellt, was aus den einstmaligen rebellischen Motiven in den 40 Jahren wurde. 
——————————————–
Auch interessant:
Aktuelle Vorbemerkung, warum das 40 jährige Jubiläum nicht so stattfand, wie vorgesehen.
+
Offizielle Veranstalterseite des SOMMERSPEKTAKELS

Die wesentlichen Meilensteine 1972 – 1985

Der folgende Text gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Ereignisse zwischen 1972 und 1985 wieder. Wer Genaueres wissen will, findet am Ende eines jeden Meilensteins einen Link zu einer ausführlicheren Darstellung.
1972
Linkskatholische Jugendarbeit führt zum Rausschmiss aus der Katholischen Gemeinde St. Bonifatius
Das Sommerspektakel und der Verein KULTURFENSTER e.V., beide 1983 gestartet, hatten eine über 10 jährige Vorgeschichte im Stadtteil, getragen von „rebellierenden“, jungen katholischen Christen in der Pfarrgemeinde St. Bonifatius. Die jungen Katholiken wurden 1972 aus der Kirchengemeinde verwiesen und mussten ihre Geschicke nun finanziell, räumlich und konzeptionell in die eigenen Hände nehmen. Diese Autonomie führte 1983 zur Gründung des KULTURFENSTER e.V. und zum ersten SOMMERSPEKTAKEL im Sommer 1983.
zum ausführlichen Artikel: Clash of Cultures in St.Bonifatius
Veröffentlicht im Jahrbuch 2022 des Heidelberger Geschichtsvereins. 
1972-1982
„Emanzipatorische“, von der Kirchengemeinde unabhängige katholische Jugendverbandsarbeit in der Weststadt.
Nach dem Rausschmiss aus der katholischen Gemeinde St.Bonifatius fand die Jugendarbeit im sogenannten „Walzenkeller“, Ecke Gaisbergstraße, Seegarten statt. Die Kellerräume wurden von Unterstützern des BDKJ kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Walzenkeller entwickelt sich zu einem beliebten informellen Treffpunkt und als „Partykeller“ für Jugendliche, die aus der gesamten Stadt kamen. Anfang der 80 er Jahre steigen Student*Innen des Erziehungswissenschaftlichen Seminars der Universität Heidelberg in diese Jugendarbeit ein und erweitern das Konzept der emanzipatorischen Jugendarbeit um den Aspekt der Kulturpädagogik und der ästhetischen Erziehung.
zum ausführlichen Artikel
1972 – 1982
Engagement im Stadtteil. „Für diese Bank habe ich mitgesoffen“
Der nach 1972 zwangsweise „autonom“ gewordene Jugendverband BDKJ/KJG engagiert sich weiterhin im Stadtteil Weststadt und ergreift verschiedene Initiativen im Stadtteil. Er beteiligt sich auch aktiv am Weststadtfest des Stadtteilvereins, das erstmals 1973 stattfand. Obwohl der Stadtteilverein politisch konservativ bis rechts orientiert war, also gerade nicht dem entsprach, was der linkskatholische Jugendverband sich auf die Fahnen geschrieben hatte, funktionierte dennoch  die Zusammenarbeit auf der informellen, privaten Ebene über Jahre hinweg sehr gut.
zum ausführlichen Artikel
 1982
„Wir wollen keinen großen Zapfenstreich“
Das Engagement des katholischen Jugendverbands beim Weststadtfest des Stadtteilvereins bekam Ende der 70er Jahre einige Risse. Die jungen Leute wollten das Fest durch „zeitgemäßere“ Formen punktuell verändern. Also weniger Blasmusik stattdessen modernere Musik und Kulturbeiträge. Der Stadtteilverein war nicht zu begeistern. Als dann noch das jährliche Weststadtfest mit einem großen Zapfenstreich (…ein Militärspektakel) ausklang, war eine rote Linie für die alternativ orientierten jungen Leute überschritten, die sich in der Friedensbewegung gegen die sogenannte Nachrüstung engagierten. Sie protestierten öffentlich gegen das militärische Spektakel und entschlossen sich, ein eigenes Fest auf die Füße zu stellen: Das SOMMERSPEKTAKEL fand dann 1983 zum ersten Male statt.
Zum ausführlichen Artikel
Ende 1982
„Schau Dich um in Deiner Stadt“ Erste Spiel- und kulturpädagogische Aktionen im Stadtteil
Die in die katholische Jugendarbeit eingestiegenen Pädagogikstudent*innen brachten neue pädagogische Konzepte und frischen Wind in die emanzipatorische Verbandsjugendarbeit ein: Spiel- und Kulturpädagogik mit starken Bezügen zum Stadtteil Weststadt standen nun auf dem Programm. Erste erfolgreiche Praxisversuche fanden Ende 1982 statt, die dann später durch das KULTURFENSTER erfolgreich weiterentwickelt wurden.
Zum ausführlichen Artikel
Ende 1982
„Der Untergang von Heidelberg wird verhindert“
Neben den stadtteilorientierten Angeboten für Kinder und Jugendliche sollte auch die Zielgruppe der Erwachsenen in der Weststadt erreicht werden. Der erste Versuch scheiterte dann aber sofort am Widerstand der Heidelberger Stadtverwaltung. Sie löste eine genehmigte Veranstaltung im „Kulturbauwagen Wilhelmsplatz“ (der stand dort für die gleichzeitig stattfindende Kinderaktionen, siehe oben) auf. Eine Lesung mit Michael Buselmeier aus seinem neuen Buch “ Der Untergang von Heidelberg“ konnte nicht stattfinden. Der folgende öffentliche Konflikt zwischen dem katholischen Jugendverband und der Stadt Heidelberg zog sich über Monate hin und führte letztlich zur rechtlichen und organisatorischen Verselbständigung der autonomen katholischen Jugendarbeit in Gestalt des Anfang 1983 gegründeten gemeinnützigen Vereins „KULTURFENSTER “
Zum ausführlichen Artikel
Frühjahr 1983
„Der Kampf geht weiter: Das Kulturfenster gründet sich“
Dank dem Standing und des finanziellen Polsters des autonomen katholischen Jugendverbands BDKJ ging die Gründung vom KULTURFENSTER e.V. Anfang 1983 schnell über die Bühne. Ladenräume in der Kleinschmidtstraße wurden angemietet. Der erste Heidelberger autonome Stadtteilkulturladen nahm seine Arbeit auf und erreichte die Zielgruppen Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einem vielfältigen Angebot. Der Ärger mit der Heidelberger Stadtverwaltung unter dem damaligen OB Zundel nahm aber kein Ende.
Zum ausführlichen Artikel
Sommer 1983
 „…und es war Sommer…“. Das erste Sommerspektakel startet. Alternative Kooperationen; es wächst zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört
Das erste Sommerspektakel 1983 war ein Versuch, die verschiedenen pädagogischen, kulturellen und politischen Konzepte im Rahmen eines anders gearteten Stadtteilfestes zu testen. Bevor es aber dazu kommen konnte, mussten einige Störmanöver der Heidelberger Stadtverwaltung überwunden werden. Trickreich genehmigte sie nicht nur das beantragte Fest auf dem Wilhelmsplatz, sondern auch noch am gleichen Wochenende das Straßenfest des SPD Ortsvereins Weststadt in der Zähringerstraße. Statt Konkurrenz zu säen, begründete die Heidelberger Stadtverwaltung aber eine jahrzehntelange, verlässliche Kooperation zwischen Partnern, die beide zwar irgendwie „links“ orientiert, sich aber dennoch nicht sonderlich grün waren. Es hagelte  sofort heftige Kritik seitens einiger Akteure aus dem gerade anwachsenden „Grün-Alternativen Lager“ an dieser Kooperation mit den „Spezialdemokraten“. Die pragmatische und persönliche Handlungsebene des SOMMERSPEKTAKELS und der Hauptakteur*innen funktionierte aber freundschaftlich, verlässlich sehr gut. Trotz weiterhin bestehender politischer Kontroversen.
Zum ausführlichen Artikel
Ab 1983
Kleine Innovationen beim SOMMERSPEKTAKEL
Das SOMMERSPEKTAKEL war von Anfang an ein voller Erfolg. Dank dem parallel stattfindenden sozialen Strukturwandel in der Weststadt ( …Vorboten der Gentrifizierung eines konservativen Viertels, wo auch noch Menschen mit kleinem Einkommen wohnten), die nicht ohne Grund „Musebrotviertel“ genannt wurde, zog es das neue studentische und mittelständische „grüne“ Milieu in der Weststadt eher auf das Sommerspektakel als auf das konservative Weststadtfest.
Auf dem Fest wurden vielfältige neue Ideen ausprobiert: Es war kinderfreundlich, alternative Kulturgruppen und alternative politische Projekte fanden dort ihren Darstellungsraum, erstmalig wurde auf Plastikbecher etc. verzichtet, stattdessen kamen improvisierte Spülmobile  auf einem Straßenfest in Heidelberg zum Einsatz. Am Sonntag gab es eine geldfreie Zone als Stadtteilfrühstück usw. usf.
Zum ausführlichen Artikel
Ab Mitte der 80 er Jahre
Kontinuität + Bruch: Where have all the rebells gone?
Sommerspektakel und Kulturfenster waren Teile einer neu entstehenden alternativen Kultur-und Betriebszenerie in Heidelberg.  Zur gleichen Zeit gründeten sich Päd.Aktiv e.V., DIE WERKSTATT e.V., Mahlzahn, Hofschreinerei und viele andere Betriebe, die sich als selbstverwaltete Betriebe definierten. Die Gründungsphase dauerte ungefähr bis Anfang der 90 er Jahre und war – beim Kulturfenster, aber auch bei einigen anderen Projekten- immer wieder beeinträchtigt durch Querschläge der Heidelberger Stadtverwaltung unter der Leitung von Oberbürgermeister Zundel. Auch fehlte es an kommunalpolitischer Unterstützung seitens des Heidelberger Gemeinderats. Erst als Zundel sein Amt 1990 entnervt aufgab, weil er wegen der anwachsenden neuen kommunalpolitischen Gruppierung GAL nicht mehr ohne weiteres seine gemeinderätlichen Mehrheiten fand, änderte sich das kommunale Standing der Szenerie alternativer Betriebe und alternativer Kulturprojekte. 
Die neue Oberbürgermeisterin Beate Weber (SPD) machte dies möglich. Die meisten Projekte und Betriebe, die aus rebellischem Impuls entstanden, etablierten sich nun. 
Ob dies den ursprünglichen Zielen und Motiven der alternativen Projekte und Betriebe nutzte, wäre eine Untersuchung wert. Wir werden vielleicht bei Gelegenheit diese Geschichte weiter erzählen.
Zum ausführlichen Artikel

1988: Sommertheater mit OB-Zundel

Einige Dokumente, die einen kleinen Einblick in die typische Kommunikation zwischen Oberbürgermeister Zundel und der alternativen Szene geben. In diesem Fall geht es um die Frage, wie ehrlich das KULTURFENSTER zu seiner politischen Haltung steht. 
Zum Artikel