Kreatives Kabelchaos im Küchenzelt. Mitte der 80er Jahre. Die Gewerbeaufsicht hätte ihre Freude gehabt.
Konsumfreie Zonen: Stadtteilfrühstück
Zur nicht wegzudenkenden DNA eines Straßen- und Stadtteilfestes gehört natürlich auch die Erzielung eines höchst mögichen Umsatzes. Auch mit diesem marktwirtschaftlichen Prinzip bricht das SOMMERSPEKTAKEL beim Stadtteilfrühstück am Sonntagmorgen.
Am Vormittag dieses Tages gibt es keinen Getränke- und Essensverkauf. Die Weststädter*innen waren und sind bis heute aufgerufen, ihr Frühstück selbst mitzubringen, alles auf ein Büffet zu stellen, wo sich jede/jeder Festbesucher/in bedienen darf, ohne etwas bezahlen zu müssen. Selbst diejenigen, die mit leeren Körben und Händen kommen.
Entgegen aller Befürchtungen klappte das erstaundlich gut, auch wenn es der mitunter ordnenden Hand von Angelika B. bedurfte, die allzu egoistische Formen des privaten Frühstückstischs, der halt nun auf dem Wilhelmsplatz stand, in die politisch korrekte Richtung des gemeinsamen Büffets lenkte.
Bei entspannter Livehintergrundsmusik entwickelte sich die Konsumfreie Zone Stadtteilfrühstück sehr schnell zu einem beliebten Treffpunkt der Weststädter*innen und blieb bis heute erhalten.
Politisch und hygienisch korrekt Essen und Trinken
Heute ist es eine Selbstverständlichkeit: Es gibt zwar immer noch Bratwürste und Steaks, die vegetarischen Angebote gehörten aber von Anfang an zum politisch korrekten Konsum auf dem Sommerspektakel. Geachtet wurde aber nicht nur darauf, dass auch gesundes Gemüse zum verspeisen auf der Speisekarte des Sommerspektakels stand.
Nein, es gab auch härtere, politische Qualitätsstandards:
„Imperialistische Yankee-Kloake“ (vulgo: Coca-Cola) und andere Produkte aus diesem Haus haben es bis heute nicht in das kulinarische Angebot des Sommerspektakels geschafft. (Korrektur: Seit ca. 2023 ist auch dieses Tabu gefallen….) Beim Bier und Wein wird nach wie vor auf strenge regionale Herkunft geachtet, ebenso bei den Lieferanten von Brötchen und Fleisch.
Dieses regionale Lieferprinzip führte in den 2000er Jahren zu einem internen „Bratwurstkrieg“ zwischen den Festmacher*innen: Sollte man den weststädter Fleischlieferanten Unger (Römerstraße) gegen einen nichtweststädter Biometzger austauschen?
Die Biofraktion unterlag den Regionalisten.Geholfen hats dem Großmetzger Unger (der seine Zentrale jenseits des Neckars in Neckargemünd hatte, also fast schon auf fremdem Terrain und damit auch kein echter Weststädter war…) auf lange Sicht betrachtet nun auch nicht.
Kampf dem Plastikmüll: Vom Winde verweht….
Böses „Erwachen“ am frühen Morgen nach dem ersten Sommerspektakel 1983. Dass Müll beim Fest anfallen würde, war ja irgendwie den Veranstalter*innen klar. Deshalb standen auch 2-3 normale Müllboxen rum. Dass aber die Festgemeinde eine Unmenge an Plastikbechern benötigte, überstieg nicht nur Vorstellung der Festverantwortlichen sondern leider auch die Kapazität der vorhandenen Mülleimer.
So jagten Mann und Frau in den frühen Morgenstunden nach dem Fest stundenlang dem vom Winde verwehten Plastikmüll rund um den Wilhelmsplatz hinterher, um ihn wieder einzufangen. Dieses Spiel wiederholte sich in den ersten Veranstaltungsjahren, bis endlich im Mitte der 80 er Jahredie Lehren daraus gezogen wurden und konsequent nur noch mit spülbarem Mehrweggeschirr hantiert wurde.
Das SOMMERSPEKTAKEL setzte damit ein wichtiges ökologisches Zeichen. Entgegen vieler Skeptiker*innen, die meinten, ohne Plastikbierbecher und Plastikgeschirr ließe sich ein so großes Fest nicht organisieren, war das SOMMERSPEKTAKEL bald eines der ersten Straßenfeste in Heidelberg, das ausschließlich auf Mehrweggeschirr setzte.
Mehrweggeschirr wurde organisiert, ebenso eine improvisierte Waschgelegenheit auf dem Platz. Das war dann die Geburtsstunde der Spülmobile beim Sommerspektakel.
Gut, dass die örtliche Gewerbeaufsicht damals noch nicht ganz so präsent war. In den Folgejahren setzten sich professionelle Spülmobile durch, sodass das improvisierte Spülchaos bald sein Ende fand. Die Hygieneaufsicht durfte also kommen. Sie kam auch und setzte die notwendigen Hygienestandards durch. Wäre sie gleich bei den ersten Sommerspektakel gekommen, gäbe es heute dieses Fest eher nicht….
Ehrenamtliche Strukturen finanzieren soziale, gesellschaftspolitische Arbeit.
Die Bürokratie macht immer mehr zu schaffen.
Das Fest wird von Anfang an ausschließlich ehrenamtlich organisiert. Lediglich die auftretenden Künstler*innen, sofern sie von ihrer Kunst leben mussten, wurden und werden bezahlt.
Niemand wird für seine Arbeitsleistung bezahlt. Obwohl die Organisation und Durchführung des Festes tagelange, harte Arbeit bedeutet.
Alle eingehenden Anfragen von kommerziellen Anbietern (Essen, Getränke) wurden und werden bis heute abgelehnt. Kein Versorgungsstand arbeitet in die eigene Kasse. Sämtliche Einnahmen gehen in die gemeinsame Kasse und werden dann einvernehmlich unter den beteiligten Gruppen oder an soziale, politische Organisationen verteilt. Auf diese Weise sind in den 40 Jahren SOMMERSPEKTAKEL einige hunderttausend Euro in das heidelberger Gemeinwesen geflossen.
Einige Plakate aus den ersten Jahren des SOMMERSPEKTAKELS, hier.